Masterarbeit «Besoldung in der Feuerwehr»

Modul Redesign LODUR
mit einer Betrachtung des Gaps zwischen Analyse und Design

Problem

LODUR bietet Feuerwehren Funktionen zur Administration. Dies umfasst hauptsächlich folgende Bereiche: Verwaltung Angehörige der Feuerwehr, Besoldung, Einsatzrapportierung, Materialverwaltung, Kurs anmeldung und Übersicht Ausbildungs stand. Das Modul «Besoldung» verursacht beim Auftraggeber B. Wahlstroem Engineering GmbH, einen hohen Supportaufwand. In diesem Modul erfolgt die Konfigurationen der Besoldungsregeln, eine Aufgabe für die zur Zeit fast jede Feuerwehr den Support in Anspruch nimmt. Der Auftraggeber ist deshalb daran interessiert, die Anzahl Supportfälle mit einem Redesign des Moduls «Besoldung» zu reduzieren oder bestenfalls ganz zu eliminieren. Die Ursachen für die vielen Supportfälle sind einerseits die starke Verteilung von einzelnen Einstellungen auf verschiedene Fenster und andererseits die fachliche Komplexität der Besoldungsregeln. Denn jede Feuerwehr hat ihre eigenen, teilweise völlig unterschiedlichen, Besoldungsregeln.

Vereinfacht gesagt definieren die Besoldungsregeln verschiedene Soldansätze sowie die Abrechnungsart für unterschiedliche Tätigkeiten. Die Abrechnungsart bestimmt, ob eine Tätigkeit pro Stunde, pauschal oder in einer Mischform vergütet wird. Besoldungsregeln werden normalerweise einmalig eingerichtet. Nach Bedarf erfolgen dann mehr oder weniger oft Anpassungen, wenn zum Beispiel eine Feuerwehr ihre Soldansätze an die Teuerung anpasst.

Vorgehen

Die Fallstudie wurde nach den Prinzipien und Gestaltungsaktivitäten der EN ISO 9241-210 bearbeitet. Dieses UCD Vorgehensmodell wurde wegen der Praxisnähe entschieden. Die Prinzipen und Gestaltungsaktivitäten der EN ISO 9241-2010 lassen sich einfach eingliedern in die der Software-Entwicklung nahestehenden Phasen «Requirements Engineering» und «Design» (Hübscher, 2011). Die Phase «Requirements Engineering» wurde als Phase «Analyse» übernommen. In dieser Phase wurden die Requirements nach den Aspekten Benutzer, Aufgabe, System und Umfeld (Shackl, 2009) erhoben. Die Design-Tätigkeiten wurden in zwei Phasen strukturiert. In der Phase «Design» wurde ein Lösungsvorschlag in Form eines Wireframe Prototypen erarbeitet. Die Phase «Detaildesign und Evaluation» dient der Vorbereitung für die Implementation. Einerseits wurde hier mit einem Usability-Test überprüft, ob der erarbeitete Lösungsvorschlag den Benutzerbedürfnissen entspricht und anderseits wurde die notwendige Dokumentation für die Entwicklung erstellt. Beim Testlauf vom Usability-Test wurde festgestellt, dass der HTML Wireframe Prototyp in Bezug auf die Aufgabe «Besoldungsregeln einrichten» mit einem verhältnismässigen Zeitaufwand nicht auf den Stand gebracht werden kann, dass keine Hilfestellung durch den Testleiter notwendig ist. Deshalb wurde entschieden, die Phase «Detaildesign und Evaluation» zu ersetzen mit drei weiteren Design-Iterationen.

Phase «Analyse»

Die Phase «Analyse» umfasst die Identifikation der Stakeholder, die Festlegung der Usabiltiy-Ziele sowie die benutzerentrierte Erhebung der Anforderungen. Die Phase «Analyse» ist aufgeteilt in Iterationen im Sinne von Teilphasen. Das heisst, dass die Inhalte der einzelnen Iterationen jeweils anders sind. Die Teilphasen haben dennoch einen iterativen Charakter. Die Detailplanung einer Iteration erfolgt jeweils am Ende der Vorhergehenden.
Im Zentrum der Phase «Analyse» stehen die benutzerzentrierte Analyse-Methode ethnografische Interviews nach Cooper et al. (2010) sowie ein Online-Fragebogen.

Phase «Design»

In der Phase «Design» geht es um die Erarbeitung eines Lösungsvorschlages in Form von Wireframe Prototypen. In dieser Phase haben sich mehrere Benutzer die Zeit genommen, unsere Prototypyen bei einem Walkthrough zu evaluieren. Die Phase «Design» ist ebenfalls in Iterationen unterteilt im Sinne vom Wiederholen einer Folge von Schritten. Das heisst, dass in jeder Iteration der Prototyp aufgrund der Erkenntnisse der letzten Iteration weiter entwickelt wird und jede Iteration mit einer Evaluation.

Methodische Vertiefung

Zur Zeit existiert kein gesamtheitliches Mapping zwischen den Aspekten des Problemraums und dem fertigen Design einer Benutzeroberfläche. In der Praxis basiert die Ableitung des Designs aus den Analyse-Resultaten hauptsächlich auf der Erfahrung der Interaction Designer. Deshalb ist die Überwindung vom Gap zwischen dem Problem- und Lösungsraum eine Art «Magic».

Hübscher et al. (2012) erarbeiten für diesen Gap ein Mapping. Dieses Mapping-Modell hat zum Ziel, eine Landkarte als Orientierung zwischen dem Problem- und Lösungsraum zu bieten.

Im Rahmen der methodischen Vertiefung haben wir zwei Vorgehensweisen für die Überwindung des Gaps verglichen: Zuerst haben wir das Design der Prototypen gemäss den Prinzipien der Struktur- und Rasterebene nach Garrett (2012) erarbeitet. Vor der Evaluation mittels Walkthrough haben wir den Prototypen mit dem Mapping-Modell nach Hübscher et al. (2012) evaluiert, der zweiten Vorgehensweise mit einem Mapping-Modell.
Die Erkenntnisse der beiden Evaluationen zeigen den Unterschied der Prototyp-Vollständigkeit der jeweiligen Vorgehensweisen.

Ergebnisse

Der Auftrag geber hat als Hauptergebnis einen Wireframe HTML Prototypen erhalten. Die zuvor auf viele verschiedene Fenster verteilten Besoldungsregeln sind nun in vier Register nach den Sold-Kategorien «Soldart», «Entschädigung», «Funktionsentschädigung» und «Grundeinstellungen» aufgeteilt.
Als primäre Persona haben wir einen Benutzer definiert, der gute Anwenderkenntnisse, jedoch wenig Erfahrung in der Einstellung von PC-Applikationen mitbringt. Die vier Register stellen für diesen Benutzer einen Prozess dar: Der Benutzer beginnt mit den Einstellungen im ersten Register und führt die Eingaben in den weiteren Registern fort. Im Register «Soldarten», welches die meisten Einstellungsmöglichkeiten anbietet, führt ein Assistent für jede neu erstellte Soldart den Benutzer durch die Optionen. Die beiden sekundären Personas sind versierte PC-Anwender, welche sich Einstellungen an PC-Applikationen gewöhnt sind. Die beiden Personas haben ähnliche Eigenschaften, unterscheiden sich aber wesentlich aufgrund ihres Verantwortungsbereichs. Ihnen bieten die Register einen raschen Zugriff auf alle Einstellungsmöglichkeiten.

Ergebnisse Methodische Vertiefung

Für eine Einschätzung zum Nutzen der Anwendung eines Mapping-Modells haben wir zwei Hypothesen aufgestellt. Die erste Hypothese ist, dass man Design-Iterationen einsparen kann, wenn man Prototypen mit einem Mapping-Modell evaluiert. Dies weil in diesem Fall die Prototypen an Evaluationen mit den Benutzern ausgereifter sind aufgrund der Erkenntnisse einer vergängigen Evaluation mit dem Mapping-Modell.

Zwei Evaluationen mit dem Mapping-Modell haben insgesamt sieben Erkenntnisse ergeben. Eine Erkenntnis hat gezeigt, dass der erste Prototyp nicht den Bedürfnissen der primären Persona entspricht.

Dies hätte eigentlich die Verschiebung des Walkthroughs mit einem Prototypen V 2.0 bedeutet. Für den Vergleich haben wir trotzdem den Prototypen V 1.0 mit einem Walkthrough evaluiert, bei welchem sich diese Erkenntnis bestätigt hat. Hätte man die Ergebnisse des Mapping-Modells bereits in V 1.0 einfl iessen lassen, wäre man nun
bereits für den ersten Walkthrough auf dem Stand von V 2.0 gewesen. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass der Einsatz des Mapping-Modells Iterationen einsparen kann. Dies ist eine der noch offenen Fragestellungen, die sich aus dem Vergleich ergeben haben.

Die zweite Hypothese ist, dass man bei der Evaluation mit einem Mapping-Modell andere Erkenntnisse erziehlt als mit der Evaluation durch Walkthroughs. Diese sieben Erkenntnisse aus der Evaluation mit dem Mapping-Modell sind verglichen mit den ca. 15 Erkenntnissen aus den Walkthroughs mit den gleichen Prototypen gering. Unsere Hypothese zu diesem Ergebnis ist, dass bei einer Redesign- Aufgabenstellung ein Grossteil des Gaps bereits überwunden ist. Denn bei einem Redesign analysiert man bei der Einarbeitung ein bestehendes System, welches bereits mehr oder weniger die Aspekte des Problemraums abdeckt. Diese Hypothese ist eine weitere offene Fragestellung.

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